In der Küche lag der Duft von gebratenen Kartoffeln mit Dill in der Luft.
Der alte Tisch, bedeckt mit einer Wachstuchtischdecke mit verblasstem Blumenmuster, war mit Tellern mit ungleichmäßigen Rändern vollgestellt.

In der Mitte dampfte eine gusseiserne Pfanne, noch warm vom Kochen.
Das gelbe Licht der Lampe unter dem vergilbten Schirm beleuchtete sanft die Gesichter von Mutter und Tochter, die sich gegenüber saßen.
— Docheńka, vielleicht verkaufen wir deine Wohnung und bauen ein gemeinsames Haus für die ganze Familie?
— begann Anna Pawlowna erneut, während sie vorsichtig eine Gabel in ein Stück Kartoffel stach.
Ihre Stimme klang sanft, aber ein vertrauter Eigensinn schwang mit.
Marina, ihre zweiunddreißigjährige Tochter, verzog das Gesicht.
Sie legte die Gabel neben den Teller, schaute ihre Mutter an — auf ihr ordentlich zusammengestecktes graues Haar, auf die tiefen Falten, die im letzten Jahr schärfer geworden zu sein schienen — und spürte, wie sich Ärger in ihr regte.
— Mama, wir haben das schon besprochen.
Die Wohnung gehört mir.
Ich habe sie selbst gekauft.
Warum sollte ich sie verkaufen?
Marinas Stimme zitterte, obwohl sie versuchte, ruhig zu sprechen.
Anna Pawlowna seufzte, als hätte die Tochter wieder eine einfache Wahrheit nicht verstanden.
— Marinotschka, du lebst doch allein.
Wozu brauchst du so viel Platz?
Und das Landhaus wäre ein gemütliches Nest für uns alle — dich, Serjoscha, die Neffen.
Ist die Familie nicht wichtiger als irgendeine Wohnung?
Marina ballte unter dem Tisch die Finger zur Faust, um sich zu beherrschen.
Ihr Blick fiel auf den abgewetzten Rand der Tischdecke, und ihr schien, als wäre alles um sie herum — die Küche, die Stimme der Mutter, dieses Gespräch — in der Zeit stehen geblieben und wiederholte sich immer und immer wieder.
— Mama, ich will darüber nicht reden.
Thema beendet.
— sagte sie entschlossen, während sie vom Tisch aufstand.
Auf dem Teller blieb etwas von den Kartoffeln übrig.
Ohne sich umzudrehen, ging Marina in den Flur hinaus.
Anna Pawlowna sah ihrer Tochter hinterher.
Ihr Gesicht wurde für einen Moment streng, aber dann wurde es schnell wieder weich.
Sie schüttelte den Kopf und murmelte leise: „Stur wie ihr Vater.“
Zuhause saß Marina in ihrer geräumigen Zweizimmerwohnung und blickte aus dem Fenster.
Draußen nieselte es und hinterließ Spuren auf der Scheibe.
Im Zimmer war es warm und gemütlich: helle Tapeten, ein weiches Sofa mit bunten Kissen, Bücherregale voll mit abgenutzten Bänden.
Das war ihre Welt, ihr sicherer Ort, den sie vor fünf Jahren gekauft hatte, nachdem sie jeden Cent gespart hatte — mit ihrem Bürojob und Wochenendarbeiten als Übersetzerin.
Der Gedanke, die Wohnung zu verkaufen, erschien ihr verrückt.
Aber ihre Mutter gab nicht auf.
Seit einem Monat sprach sie ununterbrochen über das Landhaus und den „familiären Herd“, wo sich alle versammeln könnten.
Marina wusste, dass dahinter nicht nur der Traum ihrer Mutter stand, sondern auch der Druck von ihrem Bruder Sergej.
Seine Familie fühlte sich in ihrer Zweizimmerwohnung beengt, und er hatte angedeutet, dass das Landhaus eine Lösung für sie sein könnte.
Marina öffnete ihr Handy und suchte den Chat mit ihrer Freundin Vera:
„Mama redet wieder vom Landhaus.
Ich weiß nicht, wie ich Nein sagen soll, ohne sie zu verletzen, aber so, dass sie es versteht.“
Die Antwort kam fast sofort:
„Marina, du musst nicht zustimmen.
Das ist deine Wohnung.
Sag einfach Nein.“
Leicht gesagt – „Sag einfach Nein“.
Anna Pawlowna konnte mit einem Blick Schuldgefühle hervorrufen.
Sie war immer so gewesen – fürsorglich, aber mit der Überzeugung, dass sie weiß, was das Beste ist.
Als Marina mit 25 das Elternhaus verließ, sprach die Mutter einen Monat lang nicht mit ihr, weil sie fand, dass „es sich für ein Mädchen nicht gehört, allein zu leben“.
Und jetzt war diese Wohnung, ihr ganzer Stolz, in den Augen ihrer Mutter nur ein „leerer Raum“.
Marina erinnerte sich, wie Sergej und Natascha sie vor drei Jahren besucht hatten.
Als sie sich die Wohnung ansah, sagte Natascha mit einem Anflug von Neid: „Du hast’s gut, Marina, lebst allein, hast viel Platz.“
Damals klang das wie eine harmlose Bemerkung, aber jetzt sah Marina in diesen Worten eine Anspielung.
Ihre Einsamkeit, ihre Unabhängigkeit — für die Familie war das eher ein Grund, ihr etwas wegzunehmen, als ein Erfolg.
Eine Woche später rief Anna Pawlowna einen „Familienrat“ ein.
Marina wollte nicht hingehen, aber ihre Mutter bestand darauf, rief dreimal an diesem Tag an und erinnerte daran, dass „die Familie heilig ist“.
Am Ende saß Marina wieder am selben Tisch, in derselben Küche, nur dass diesmal Sergej und Natascha neben ihr saßen.
Ihre Kinder — Artjom und Lisa — spielten im Nebenzimmer, lachten und trampelten mit den Füßen.
— Marinotschka, ich hab da mal gerechnet.
— begann die Mutter und legte ein Blatt mit Zahlen vor sich hin.
— Wenn wir deine Wohnung verkaufen, könnten wir ein gutes Grundstück kaufen und ein richtiges Haus bauen, kein wackeliges Sommerhäuschen.
Platz wäre für alle genug.
Sergej nickte, ohne ihr in die Augen zu sehen.
Natascha lächelte, aber ihr Blick blieb angespannt.
— Mama, ich habe doch schon Nein gesagt.
— antwortete Marina, bemüht ruhig zu bleiben.
— Warum hört ihr mir nicht zu?
Anna Pawlowna runzelte die Stirn.
„Und was schlägst du vor?
Wir leben alle beengt, und du hockst allein in deinem geräumigen Nest.
Ist das etwa familiär?“
Hitze stieg Marina in die Wangen.
Sie sah zu Sergej, hoffte auf Unterstützung von ihm, doch er schwieg und stocherte im Salat.
„Serjoscha, denkst du das auch?“ fragte sie direkt.
Der Bruder räusperte sich, legte die Gabel weg.
„Na, Marina, du siehst doch, wie eng es bei uns ist.
Wir haben Kinder, wir brauchen mehr Platz.
Und die Datscha — die ist doch für alle.
Du kannst doch auch dort entspannen.“
„Und wo soll ich dann wohnen?
Ganzjährig auf der Datscha oder bei euch auf der Klappliege?“
Marina konnte ihren Ärger nicht unterdrücken.
Natascha schwieg, presste nur die Lippen zusammen.
Anna Pawlowna schlug theatralisch die Hände zusammen.
„Herrgott, Marina, warum machst du alles so kompliziert?
Wir werfen dich doch nicht raus!
Du kannst zu mir zurückkommen.
Viel Platz brauchst du doch nicht.“
Marina sprang abrupt auf, spürte, wie es in ihr kochte.
Ihre Stimme zitterte, als sie antwortete.
„Ich werde nichts verkaufen.
Das ist mein Leben.
Wenn ihr eine Datscha wollt — sucht andere Wege.“
Sie ging hinaus, schlug die Tür etwas heftiger zu, als sie wollte.
Aus der Küche drang die leise Stimme der Mutter.
„Na, das war ja ein Gespräch…“
Nach diesem Gespräch rief Marina ihre Mutter seltener an.
Sie fühlte sich schuldig, war aber zugleich gereizt.
Warum standen ihre Unabhängigkeit, ihre Arbeit, ihre Entscheidungen immer an zweiter Stelle?
Sie arbeitete, zahlte die Wohnung ab, half dem Bruder, wenn er Geld für den Kindergarten brauchte — und war trotzdem die „Egoistin“.
Anna Pawlowna blieb ihrerseits nicht untätig.
Sie teilte ihre Sorgen mit der Nachbarin Walentina.
„Marinotschka hat sich total entfremdet.
Sie will für die Familie nichts opfern.“
Tante Walja nickte auf der Bank vor dem Haus, dachte aber insgeheim, dass Anna Pawlowna zu sehr Druck auf die Tochter ausübte.
In der Zwischenzeit schmiedeten Sergej und Natascha weiter Pläne.
Sie durchstöberten Anzeigen für Grundstücke, und Natascha sagte:
„Wenn Marina einwilligen würde, hätten wir längst mit dem Bau angefangen.
Für sie ist es doch leicht — sie lebt allein, und wir hocken mit den Kindern im Gedränge.“
Sergej nickte, aber tief drinnen nagte das Gewissen.
Er wusste, wie sehr seine Schwester ihre Wohnung liebte, doch er stritt sich nicht mit seiner Frau.
Um sich abzulenken, traf Marina sich öfter mit Vera.
Sie spazierten durch den Park, tranken Kaffee in gemütlichen Cafés, und Marina schüttete ihr Herz aus.
Vera, direkt, aber gutmütig, riet:
„Marina, du musst niemandem etwas beweisen.
Das ist dein Leben.
Aber versuch es ihnen ruhig zu erklären — vielleicht hören sie dich dann.“
Marina nickte, wusste aber: jedes Gespräch mit der Mutter endete gleich — mit dem Gefühl, jemandem etwas zu schulden.
Eines Tages, als sie ihre Neffen vom Kindergarten abholte, hörte Marina zufällig zwei Mütter am Eingang reden.
„Hast du gehört, Natascha und Sergej haben ein Grundstück gefunden.
Sagen, die Schwester von Sergej verkauft ihre Wohnung, so haben sie das Geld.“
Marina erstarrte, spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss.
Sie konnte nicht glauben, dass schon Gerüchte kursierten, als wäre alles beschlossen, obwohl sie nie zugestimmt hatte.
Zuhause rief sie Sergej an.
Das Gespräch war kurz und scharf.
„Erzählst du jedem, dass ich die Wohnung verkaufe?“ fragte sie, kaum beherrscht.
„Nein, Marina, keiner erzählt was … Natascha hat nur mit Freundinnen geplaudert, dass es vielleicht eine Datscha gibt.
Na ja … so kam das.“
„Vielleicht?“ wiederholte Marina.
„Ist dir klar, dass das mein Leben ist?
Ihr habt alles entschieden — ohne mich!“
Sergej stammelte, dann sagte er leise:
„Ich wollte das nicht.
Es ist wirklich schwer für uns.
Ich dachte, du änderst deine Meinung.“
Marina legte auf.
Sie saß auf dem Sofa, blickte auf die Bücherregale und spürte in der Brust eine Mischung aus Kränkung und Müdigkeit.
Für ihre Familie war sie eher eine Gelegenheit als ein Mensch.
Einige Tage später beschloss Marina, mit ihrer Mutter zu sprechen.
Sie fuhr zu ihr, brachte eine Torte mit — nicht zur Versöhnung, sondern um die Stimmung etwas zu entspannen.
Am vertrauten Küchentisch nahm sie all ihren Mut zusammen und begann.
„Mama, ich möchte, dass du mir zuhörst.
Ich werde die Wohnung nicht verkaufen.
Nicht, weil mir alles egal ist, sondern weil das mein Zuhause ist.
Ich habe es mir erarbeitet.
Und ihr tut so, als müsste ich euch etwas schulden.“
Anna Pawlowna schwieg lange, betrachtete die Torte.
Dann hob sie den Blick — in ihren Augen glänzte nicht Wut, sondern Schmerz.
„Ich hab doch immer alles für die Familie getan, Marinotschka …
Ich dachte, du verstehst das.
Serjoscha und Natascha haben es schwer, die Kinder wachsen …“
„Und an mich denkt jemand?“ unterbrach Marina.
„Ich habe auch ein Leben.
Und ich will nicht, dass es jemandes Vorteil ist.“
Die Mutter senkte den Blick.
Zum ersten Mal seit Langem wirkte sie verloren.
Dann sagte sie leise:
„Ich wollte dich nicht verletzen.
Ich habe mein Leben immer ‚für die Kinder‘ gelebt und dachte, du machst es auch so.“
Marina spürte, wie der Zorn in ihr abklang.
Sie verstand: die Mutter wollte ihr kein Leid zufügen, sie kannte nur keinen anderen Weg, Mutter zu sein.
Dieses Gespräch löste nicht alles, aber etwas veränderte sich.
Anna Pawlowna sprach das Thema Datscha nicht mehr an, seufzte nur manchmal resigniert, wenn sie den Sohn ansah.
Sergej entschuldigte sich nach ihrem Gespräch noch einmal und schien seine Schwester langsam zu verstehen.
Nur Natascha blieb kühl, doch Marina beschloss, das zu ignorieren.
Aber die Lage spitzte sich wieder zu, als Marina erfuhr: Natascha hatte bereits eine Anzahlung für ein Grundstück geleistet und dem Verkäufer versichert, dass „das Geld bald kommt“.
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Marina fuhr zum Bruder und machte kein Hehl mehr aus ihrem Zorn.
„Glaubt ihr wirklich, ich gebe nach?“ schrie sie in ihrem engen Zimmer.
„Ihr habt alles über meinen Kopf hinweg entschieden, ohne zu fragen?“
„Was sollen wir denn machen, Marina?“ hielt Natascha dagegen.
„Wir leben zu viert in einer Kammer!
Wir tun das für die Kinder!“
„Dann arbeitet!
Spart!
Aber nicht auf meine Kosten!“ schnitt Marina ab.
Sergej versuchte, sie zu beruhigen, doch Marina ging schon, wischte sich die Tränen ab.
Zum ersten Mal wurde ihr klar: vielleicht musste sie Abstand zur Familie halten, um sich selbst zu retten.
Ein Monat verging.
Marina hörte auf, jedes Wochenende zur Mutter zu fahren, rief aber an und erkundigte sich nach ihrem Befinden.
Anna Pawlowna antwortete zurückhaltend, ohne den alten Druck.
Sergej und Natascha gaben die Anzahlung zurück, auch wenn Natascha bis zuletzt unzufrieden maulte, dass „Marina nur an sich denkt“.
Zu Hause, mit einem Buch in der Hand, spürte Marina eine seltsame Erleichterung.
Sie verstand: ihre Unabhängigkeit war kein Egoismus, sondern eine Notwendigkeit.
Eines Abends klingelte das Telefon.
Auf dem Display stand der Name der Mutter.
„Marinotschka, ich hab nachgedacht …“ begann Anna Pawlowna.
„Vielleicht hast du recht.
Verkauf die Wohnung nicht.
Wir schaffen das schon irgendwie.“
Marina lächelte und fühlte, wie sich etwas in ihr löste.
„Danke, Mama“, antwortete sie leise.
Was die Zukunft brachte — wusste sie nicht.
Vielleicht würden sie einen Weg finden, Familie zu sein, ohne sich selbst zu opfern.
Vielleicht müsste sie auf Abstand bleiben.
Aber eines wusste Marina sicher: ihr Zuhause, ihr Leben würde sie verteidigen.
Und daran war nichts falsch.







