Die Kellnerin erstarrte, als sie vor sich ihren Mann sah, der vor sieben Jahren gestorben war. Als sie sich schließlich fing und zu ihm ging…

INTERESSANT

Der Abend im Café verlief wie gewohnt — ruhig, gemächlich, als hätte die Zeit beschlossen, auf dieser gemütlichen Note zu verweilen.

Anja brachte geschickt die Bestellungen herum, bewegte sich zwischen den Tischen mit gewohnter Anmut, als kenne sie jeden Schritt im Voraus.

Ihre Bewegungen waren präzise, ihr Gesicht strahlte ein freundliches Lächeln aus, und ihre Stimme klang so sanft, dass selbst die verschlossensten Gäste ihr freundlich antworteten.

Sie war gut in ihrem Beruf: aufmerksam, sorgfältig, fand immer die richtigen Worte für jeden Besucher.

Draußen regnete es, leise, aber dicht, als würde die Stadt hinter der Scheibe weinen.

Drinnen herrschte eine Atmosphäre von häuslicher Wärme — es roch nach frisch gebrühtem Kaffee, knusprigen Croissants, Zimt und etwas noch Unbestimmtem, Vertrautem.

Dieses Café war für viele ein Zufluchtsort vor Trubel und Streit, vor Einsamkeit und Sorgen.

Auch für Anja.

Gerade wollte sie schmutziges Geschirr vom fünften Tisch wegräumen — dem am Kamin, wo normalerweise ein Paar Rentner oder Studenten mit Laptops saßen — als die Tür erneut aufging.

Ein kalter Luftzug kam herein, begleitet von Regentropfen.

Die Gäste verstummten einen Moment, einige blickten zur Tür, kehrten dann schnell zu ihren Tätigkeiten zurück.

Für alle war er nur ein weiterer Besucher.

Aber nicht für Anja.

Der Mann betrat selbstbewusst den Raum, obwohl seine Kleidung abgetragen wirkte und offensichtlich lange keine Waschmaschine gesehen hatte.

Er war groß, breit gebaut, trug einen grauen Mantel, der bis auf die Haut durchnässt war und eng am Körper klebte.

Die Stiefel klapperten dumpf auf dem Boden und hinterließen Wasserflecken.

Ohne sich im Saal umzusehen, ging er in die hintere Ecke am Fenster — der ruhigste Platz im Café, den Anfänger selten besuchten.

Erst da hob Anja den Blick… und sah ihm ins Gesicht.

Das Tablett fiel ihr aus der Hand, als hätten ihre Muskeln plötzlich ihre Kraft verloren.

Das Geschirr zerbrach mit lautem Klirren auf dem Boden, Porzellansplitter sprangen wie verängstigte Tiere auseinander.

Gespräche im Raum verstummten.

Jemand stieß einen überraschten Schrei aus, andere drehten sich um, um zu verstehen, was passiert war.

Aber Anja hörte nichts.

Sie fühlte weder Kälte, noch Kaffeeduft, noch Atem.

Vor ihr, nur wenige Meter entfernt, saß ein Mann, den sie für tot gehalten hatte.

„Maxim?..“ entfuhr es ihr fast lautlos, wie der letzte Atemzug.

Der Mann hob langsam den Kopf.

Sein Gesicht war so vertraut, dass ein Schmerz durch ihre Brust schnitt, als hätte jemand ihre Erinnerungen mit bloßen Händen herausgerissen.

Alles war da — die Wangenknochenlinie, eine leichte Höckerung an der Nase, diese Augen…

Die gleichen Augen, in denen sie sich gern verlor, die sie mit Zärtlichkeit, Sicherheit und dem Versprechen der Ewigkeit anschauten.

Sein Blick war anders — kälter, zerstreuter, fremd.

Aber es war er.

Sie hätte ihn unter Millionen erkannt.

Anja wusste nicht, wie sie neben ihm stand.

Sie bemerkte nicht, wie sie durch den ganzen Raum ging, wie sie über die Scherben stieg, wie die Menschen verstummten und sie mit besorgten Blicken begleiteten.

Jetzt beschränkte sich ihre Welt auf eine Person.

Sie stand vor ihm — zitternd, mit nassen Wangen, ohne zu merken, dass sie weinte.

„Bist du das?..“ flüsterte sie fast betend.

„Bist du es wirklich… lebendig?..“

Der Mann schwieg lange.

Sah sie an, als versuche er, wenigstens einen Funken Erinnerung zu finden.

Seine Hände lagen ruhig, aber angespannt auf den Knien.

Endlich stand er auf.

Stützte die Handflächen auf den Tisch, als wolle er sich vor dem Fallen bewahren.

„Entschuldigen Sie, Sie müssen sich irren,“ sagte er schließlich, seine Stimme war ruhig, fast förmlich.

„Mein Name ist Artiom.“

Das Wort hing wie ein Schlag in der Luft.

Anja machte einen Schritt zurück, als hätte man sie weggestoßen.

Aber nein.

Es konnte kein Irrtum sein.

Es war er.

Maxim.

Ihr Mann.

Der Mann, mit dem sie sieben Jahre gelebt hatte, den sie geliebt hatte, den sie mit eigenen Händen begraben hatte.

„Du bist gestorben…“ flüsterte sie kaum hörbar.

„Ich habe dich selbst begraben…“

Er runzelte die Stirn, in seinen Augen blitzte Besorgnis auf, vielleicht sogar Mitgefühl.

Er holte seinen Geldbeutel heraus, öffnete ihn vorsichtig und zeigte den Pass:

„Sehen Sie? Artiom Leonow. Ich war nie verheiratet. Entschuldigen Sie…“

Anja trat wieder einen Schritt zurück.

Ihr Herz schlug beunruhigend, als würde es warnen: „Etwas stimmt nicht.“

Alles um sie herum begann zu verschwimmen, als würde die Realität an den Nähten aufreißen.

Sie wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken.

Da trat Lera zu ihr — ihre Ablöserin, ein junges Mädchen mit sanftem Wesen und scharfem Verstand.

„Ich habe ihn schon mal gesehen“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Er war vor zwei Monaten hier, hat gefragt, wie die Leute heißen, die hier arbeiten. Ist aber nicht reingekommen.“

„Er ist seltsam…“

Anja drehte sich um.

Aber der Mann ging schon Richtung Ausgang.

Sie rannte ihm hinterher, stürmte auf die Straße — und sah nur noch, wie die Tür eines schwarzen Autos zuschlug.

Der Wagen fuhr davon.

Zurück blieben nur der Geruch des Regens, der nasse Asphalt und… ein Zettel.

Auf dem durchnässten Papier, verwischt vom Wasser, standen nur ein paar Zeilen:

„Verzeih. Es war zu deinem Schutz. Ich werde alles erklären… bald.“

Anja stand im Regen und hielt den durchweichten Zettel in der Hand.

Ihr Herz schlug so heftig wie damals, als Maxim ihr den Heiratsantrag machte.

Nur war da jetzt keine Freude — sondern Angst, Unruhe und eine Frage, die sie nicht losließ:

Wer ist er wirklich?

Der nächste Morgen begann mit Entschlossenheit.

Anja kehrte nicht ins Café zurück.

Sie zog sich im Lagerraum um, warf Lera den Schlüssel zu und ging in die Nacht.

Ihr Kopf dröhnte vor Gedanken.

Alles erschien wie ein verrückter Traum, aber die Erinnerung ließ sie nicht die Augen schließen und vergessen.

„Zu deinem Schutz… Was soll das heißen?“

Sie erinnerte sich an den Unfall.

Jenen schrecklichen Morgen, als man ihr sagte, Maxim sei nicht von der Dienstreise zurückgekehrt.

Sein Auto wurde im Straßengraben gefunden, zerschmettert, umgestürzt.

Die Leiche wurde anhand der Papiere und Kleidungsreste identifiziert.

Das Gesicht war kaum noch zu erkennen.

Damals glaubte sie: Ja, das ist er…

Doch nun — wuchs der Zweifel wie eine Lawine.

Am nächsten Morgen begann sie mit der Recherche.

Sie fand die Nummer des Ermittlers, der den Fall geführt hatte.

Er war schon in Rente, aber willigte ein, sich mit ihr zu treffen.

Sie trafen sich in einem kleinen Café am Stadtrand.

„Sie wollen die Wahrheit wissen, Anja?“ fragte er, während er Tee aufbrühte. „Dann hören Sie zu.“

Der alte Mann holte eine vergilbte Akte hervor.

Auf dem Deckel war kaum noch leserlich zu erkennen:

AKTE Nr. 7834 — TOD M. GORELOW.

„Ihr Mann… ist damals nicht gestorben“, sagte er und sah ihr direkt in die Augen. „Er wurde in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Er war der Schlüsselzeuge in einem sehr gefährlichen Fall. Es ging um Korruption in höchsten Kreisen — hohe Beamte, Verträge, Morde. Man wollte ihn ausschalten. Aber der FSB kam ihm zuvor. Er wurde unter einem anderen Namen außer Landes gebracht. Uns wurde befohlen, ihn für tot zu erklären. Zu Ihrem eigenen Schutz.“

„Warum hat man mir nichts gesagt?“ keuchte Anja.

„Sie standen unter Verdacht. Man hatte Angst, Sie könnten sich verplappern. Auch er wusste nichts. Er flehte darum, Sie kontaktieren zu dürfen, aber der Befehl war strikt. Später bekam er ein neues Leben. Einen neuen Pass. Alles.“

Anja schwieg, ballte die Fäuste.

„Und jetzt?“ flüsterte sie schließlich. „Warum ist er zurückgekehrt?“

„Dann ist die Bedrohung zurück“, antwortete der Alte düster. „Oder… er hat beschlossen, nicht länger im Schatten zu leben.“

Noch in derselben Nacht klingelte ein anonymer Anruf in ihrer Wohnung.

„Anja“, erklang eine Stimme, die sie sieben Jahre lang nicht gehört hatte. „Verzeih. Ich habe dich all die Zeit beobachtet. Aber sie haben es herausgefunden. Jetzt bist auch du in Gefahr.“

„Wer sind ‚sie‘?!“

„Die, die damals meinen Tod wollten. Ich kann dich nicht mit hineinziehen, aber du musst wissen: Wenn ich wieder verschwinde — dann nicht freiwillig.“

Er schickte ihr eine Adresse:

„Morgen. 21:00 Uhr. Sei pünktlich.“

Anja kam rechtzeitig.

Ein altes Landhaus außerhalb der Stadt, verfallen, mit zugewachsenem Garten und einer Veranda, die jeden Moment einstürzen konnte.

Stille, nur durch Grillenzirpen und fernes Hundegebell unterbrochen.

Maxim wartete drinnen — lebendig, erschöpft, mit Augen, in denen noch Liebe glomm.

Doch kaum hatten sie sich umarmt, waren draußen Schritte zu hören.

Scheinwerferlicht, knackende Äste, schwere Stiefel auf nassem Boden.

„Zu spät…“, flüsterte er. „Sie haben uns gefunden.“

Maxim rannte zur Hintertür.

„Lauf“, hauchte er. „Im Wald gibt es einen alten Pfad. Ich lenke sie ab!“

„Nein!“ Anja packte seine Hand. „Ich habe dich einmal verloren. Ein zweites Mal überlebe ich nicht!“

Doch draußen waren schon Schatten zu erkennen.

Vier Gestalten.

Einer mit Wärmebildkamera.

Ein anderer mit einer Pistole, der Schalldämpfer glitzerte im Mondlicht.

Das waren keine gewöhnlichen Männer — das waren Henker, Profis, für die der Tod zum Alltag gehörte.

Maxim holte aus dem Schrank eine alte Pistole — noch aus Armeezeiten.

Er prüfte das Magazin.

Mit zitternden Fingern lud er durch.

„Ich habe ohnehin nie mein eigenes Leben gelebt, Anja…“, flüsterte er. „Dann will ich wenigstens echt sterben.“

Anja sah ihm in die Augen — und begriff: Die Angst war schon lange tot.

Geblieben war nur Entschlossenheit.

„Dann gemeinsam“, sagte sie leise.

In diesem Moment flog die Tür aus den Angeln.

Ein Schuss. Noch einer.

Ein Schrei. Aufprall von Körpern.

Eine Stunde später war alles still.

Die FSB traf ein.

Sie waren durch einen Hinweis gekommen.

Zu spät… fast.

Drei Angreifer waren tot.

Einer verwundet.

Maxim — lebendig. Mit einer schweren Schulterverletzung.

Anja — unversehrt.

Sie hatte die ganze Zeit neben ihm gesessen, seinen Kopf an ihre Brust gedrückt.

„Sie haben mich erwischt, als ich keine Angst mehr hatte“, sagte Maxim, als man ihn in den Krankenwagen lud. „Aber danke. Ich konnte meine Frau umarmen. Und ich renne nicht mehr davon.“

Ein halbes Jahr später lebten sie in einem anderen Land.

Ein neuer Name, ein neues Haus, neue Identitäten.

Aber nun — gemeinsam.

Ohne Angst, ohne Lügen.

Er arbeitete als Geschichtslehrer.

Sie eröffnete ein kleines Café, gemütlich, mit dem Duft von Zimt und Kaffee.

Manchmal kamen seltsame Briefe ohne Absender.

Manchmal betraten Fremde das Café mit aufmerksamen Blicken.

Doch das Wichtigste war — sie wachte jeden Morgen neben ihm auf.

Echt.

Lebendig.

Und ließ ihn nie wieder los.

Artikel notieren