— Ich habe deine Diamanten deiner Mutter gegeben! Sie stehen ihr besser! — Ihr Mann hatte heimlich mein Erbe an seine Mutter verschenkt.

LEBENSGESCHICHTE

Veronika öffnete die alte Schmuckschatulle aus Mahagoni. Sie fuhr mit den Fingern über das Samtfutter.

Die Diamanten funkelten im Morgenlicht.

Veronikas Herz zog sich bei den Erinnerungen zusammen.

Die Großmutter hatte ihr dieses Set einen Monat vor ihrem Tod übergeben.

Ein Ring mit einem großen Stein in der Mitte. Zarte Ohrringe. Und ein Anhänger an einer feinen Kette.

Maxims Stimme drang aus dem Flur.

— Nika, bist du fertig? Sie haben mich schon dreimal angerufen!

— Fast fertig, — antwortete Veronika, während sie die Schatulle schloss.

Maxim erschien im Türrahmen des Schlafzimmers.

Drei Jahre Ehe hatten Veronika gelehrt, seine Stimmung an kaum wahrnehmbaren Anzeichen zu erkennen. Heute war Maxim angespannt.

— Betrachtest du wieder die Schmuckstücke deiner Großmutter? — fragte er, wobei er auf die Schatulle deutete.

— Willst du sie nicht wenigstens einmal tragen?

— Es ist doch der Geburtstag deiner Kollegin, — erwiderte Veronika.

— Warum sollte ich Diamanten dort tragen?

Maxim zuckte mit den Schultern und verließ das Zimmer.

Veronika warf noch einmal einen Blick auf den Schmuck und legte die Schatulle vorsichtig in die Kommode.

Zwei Wochen später kam Schwiegermutter Ludmila Petrowna zum Abendessen vorbei.

Veronika kochte in der Küche, als sie die vertraute Stimme aus dem Wohnzimmer hörte.

— Maxim, zeig mir noch einmal Nikas Diamanten, — bat die Schwiegermutter.

— So ein schöner Schmuck liegt einfach ungenutzt da!

Veronika erstarrte mit dem Teller in den Händen. In ihr stieg eine Welle der Gereiztheit auf.

— Mama, das ist ihr Erbe von ihrer Großmutter, — antwortete Maxim.

— Sie entscheidet selbst, wann sie es trägt.

— Ja, ich verstehe, — seufzte Ludmila Petrowna.

— Aber bei Lenas Tochter ist in einem Monat die Hochzeit. Stell dir vor, welchen Eindruck ich in diesem Set machen würde!

Veronika betrat das Wohnzimmer und stellte die Teller mit übertriebener Sorgfalt auf den Tisch.

— Ludmila Petrowna, ich habe es Ihnen schon gesagt, — begann sie ruhig.

— Diese Schmuckstücke haben für mich eine besondere Bedeutung.

— Nur für einen Abend! — Die Schwiegermutter verschränkte die Hände in betender Geste.

— Ich werde sie doch vorsichtig tragen!

— Entschuldigung, aber nein, — sagte Veronika entschieden.

Die Stimmung am Tisch verdichtete sich. Maxim aß schweigend und vermied den Blick seiner Frau.

Ludmila Petrowna schob demonstrativ ihren Teller beiseite.

Ein Monat verging. Die Schwiegermutter kam häufiger vorbei und fand jedes Mal einen Vorwand, die Diamanten zu erwähnen.

— Nika, Liebling, — begann sie honigsüß.

— Beim Jubiläum der Universität wird der Rektor kommen. Ich möchte so würdevoll aussehen!

— Ludmila Petrowna, Sie haben doch selbst wunderbaren Schmuck, — antwortete Veronika und bemühte sich um Geduld.

— Ja, aber nicht so! — rief die Schwiegermutter.

— Max, sag es ihr doch!

Und da begann Maxim sich zu verändern. Früher schwieg er, jetzt stellte er sich auf die Seite seiner Mutter.

— Nika, was würde es dich kosten? — sagte er am Abend, wenn sie allein waren.

— Mama bittet doch nicht für immer.

— Max, das ist Erinnerung an meine Großmutter! — Veronika konnte nicht glauben, dass ihr Mann sie nicht verstand.

— Sie hat sie mir anvertraut!

— Ach komm schon! — winkte Maxim ab.

— Steine sind Steine. Mama ärgert sich wegen deinem Starrsinn.

Veronika sah ihren Mann an und erkannte ihn nicht wieder.

Wo war der aufmerksame Mensch, den sie geheiratet hatte?

Eines Abends, nach dem nächsten Besuch der Schwiegermutter, brach ein echter Streit aus.

— Deine Mutter wird unerträglich! — platzte Veronika heraus, kaum dass die Tür hinter Ludmila Petrowna geschlossen war.

— Du bist unerträglich! — explodierte Maxim plötzlich.

— Du geizt wegen ein paar Klunker!

Veronika wich zurück. Klunker? Das Erbe ihrer geliebten Großmutter nannte er Klunker?

In ihrer Brust riss alles zusammen. Sie sah ihren Mann an und erkannte ihn nicht wieder.

— Wenn das für dich Klunker sind, — Veronikas Stimme zitterte vor Schmerz, — dann sprechen wir verschiedene Sprachen.

— Mama hat recht, — fuhr Maxim fort.

— Du bist egoistisch. Du denkst nur an dich!

Tränen stiegen ihr in den Hals. Veronika ballte die Fäuste, um sich zu beherrschen.

Sie durfte nicht zeigen, wie weh es tat. Sie durfte ihm nicht zeigen, wie tief seine Worte sie verletzt hatten.

Veronika drehte sich um und ging ins Schlafzimmer, schlug die Tür laut zu.

Die Tränen erstickten sie. Warum? Warum sollte sie das Wertvollste einem Menschen geben, der darin nur funkelnde Steine sieht?

Das Jubiläum der Schwiegermutter rückte näher. Sechzig Jahre – ein runder Geburtstag.

Veronika quälte sich mit der Frage, was sie schenken sollte.

— Ludmila Petrowna, vielleicht können Sie mir sagen, was Sie brauchen? — fragte sie beim Treffen.

Die Schwiegermutter warf ihr einen herablassenden Blick zu.

— Ich brauche nichts, Liebes, — sagte sie mit besonderer Betonung.

— Ich habe alles.

Veronika sah Maxim verwirrt an. Er starrte auf sein Telefon.

— Max, was soll ich deiner Mutter schenken? — fragte sie abends.

— Ich weiß nicht, — brummte er. — Denk dir selbst etwas aus.

— Aber das ist doch deine Mutter!

— Und was? — Maxim legte genervt das Telefon beiseite.

— Sie hat gesagt, dass sie nichts braucht.

Veronika kaufte einen teuren Seidenschal und französische Parfums.

Verpackte sie in einer schönen Schachtel, obwohl sie ein ungutes Gefühl hatte.

Der Morgen des Jubiläums begann hektisch.

Veronika zog ein dunkelgrünes Kleid an und beschloss, das Outfit mit Smaragdohrringen zu ergänzen – ein weiteres Geschenk der Großmutter, aber nicht so wertvoll.

Sie öffnete die Schatulle und erstarrte.

Die Samtfächer waren leer. Die Diamanten waren verschwunden.

Ihr Herz schlug wild. Veronika durchwühlte die ganze Kommode, überprüfte alle Regale.

Nichts. Sie rannte aus dem Schlafzimmer. Stürmte in die Küche, wo Maxim ruhig Kaffee trank.

— Max! Wo sind meine Diamanten? — ihre Stimme überschlug sich vor Wut.

Maxim hob ruhig den Blick und nahm einen weiteren Schluck.

— Ich habe deine Diamanten deiner Mutter gegeben! — sagte er mit gleichmäßigem Ton.

— Sie stehen ihr besser!

Veronika erstarrte. Der Raum schwankte vor ihren Augen.

— Was hast du getan? — flüsterte sie.

— Das, was längst hätte getan werden sollen, — Maxim stellte die Tasse auf den Tisch.

— Hör auf zu geizen!

— Das ist mein Erbe! — schrie Veronika.

— Wie kannst du nur?!

Veronika klammerte sich an den Tischrand. Alles verschwamm vor Wut und Schmerz.

Maxim stand ruhig auf, schob den Stuhl zur Seite. Seine Gleichgültigkeit verletzte stärker als Worte.

— Hör auf zu hysterisch zu sein! — rief er.

— Mama ist würdiger als du! Sie wird den Schmuck wenigstens tragen!

— Das ist nicht deine Entscheidung! — Veronikas Stimme überschlug sich.

— Und nicht die deiner Mutter! Ihr seid beide Diebe!

Innerlich brannte alles. Ihre Hände zitterten vor Wut. Dieser Mensch – ihr Ehemann.

Sie liebte ihn, vertraute ihm. Und Maxim verriet sie so leicht. Nur um die gierigen Wünsche seiner Mutter zu befriedigen!

— Pass auf, wie du sprichst! — schrie Maxim. — Das ist meine Mutter!

— Und ich bin deine Frau! Oder etwa nicht mehr?

Veronika griff ihre Tasche und rannte aus der Wohnung.

Draußen hielt sie ein Taxi an und nannte die Adresse der Schwiegermutter.

Die ganze Fahrt versuchte sie, sich zu beruhigen, doch ihre Hände zitterten verräterisch.

Die Tür öffnete die Jubilarin selbst.

Sie trug ein festliches bordeauxrotes Kleid, und an Hals und Ohren funkelte der Schmuck der Großmutter.

— Nika? — staunte Ludmila Petrowna. — Du bist früh! Die Gäste fangen erst in zwei Stunden an zu kommen!

Veronika sah ihren Schmuck an einem fremden Hals und innerlich kochte sie vor Wut.

— Nehmt sie ab, — presste sie durch die Zähne.

— Was? — die Schwiegermutter wich zurück.

— Bist du verrückt geworden?

Veronika machte einen Schritt vorwärts und griff nach dem Verschluss der Kette.

Ludmila Petrowna kreischte und versuchte, die Schwiegertochter wegzustoßen.

— Fass sie nicht an! — schrie sie.

— Das ist ein Geschenk von meinem Sohn!

— Das ist mein Erbe! — Veronika öffnete die Kette und nahm sie vom Hals ihrer Schwiegermutter.

— Diebin! — rief Ludmila Petrowna.

— Ich rufe die Polizei!

Veronika zog die Ohrringe aus und nahm den Ring vom Tisch im Flur.

Ihre Hände waren erstaunlich ruhig, obwohl in ihrem Inneren ein Sturm tobte.

Die Schwiegermutter rannte durch den Flur und fuchtelte mit den Armen.

— Rufen Sie ruhig, — sagte Veronika kühl.

— Dann erzählen Sie, wie Ihr Sohn das Erbe seiner Frau gestohlen hat.

— Du bist ja völlig frech geworden! — die Schwiegermutter errötete vor Wut.

— An meinem Ehrentag! Max wird dir das nicht verzeihen!

Veronika blieb in der Tür stehen. Sie drehte sich um und sah Ludmila Petrowna an.

Die Frau, die sie drei Jahre lang „Mama“ genannt hatte, stand vor ihr — gierig, kleinlich, bereit, alles für funkelnde Steine zu tun.

— Erwarten Sie nicht, dass ich auf Ihrem Fest erscheine, — sagte Veronika scharf.

— Und ich hätte nie gedacht, dass Sie und Ihr Sohn zu so etwas sinken würden.

Sie ging hinaus und schlug die Tür so zu, dass die Scheiben zitterten.

Zu Hause wurde sie schon an der Tür von Maxim angeschrien.

— Bist du völlig verrückt geworden?! — schrie er.

— Du hast den Geburtstag deiner Mutter ruiniert!

— Deine Mutter ist eine Diebin! — Veronika ging an ihm vorbei ins Schlafzimmer.

— Und du auch! Wie konntest du ihr überhaupt mein Erbe geben? Wie, Maxim?

— Wie kannst du es wagen?! — Maxim versperrte ihr den Weg.

— Sie ist meine Mutter! Mama wollte diesen Schmuck, sie hat ihn bekommen!

Veronika blieb stehen. In ihrer Brust zog sich alles vor Schmerz zusammen.

Drei Jahre Ehe, drei Jahre Liebe — und das war das Ende. Maxim stand ihr fremd und feindlich gegenüber.

Veronika konnte nicht verstehen, wie sie sich so im Menschen getäuscht hatte.

Wie sie das wurmstichige Innere von ihm, von seiner Mutter, nicht bemerkt hatte.

— Und ich für dich? — Veronikas Stimme zitterte. — Ein Nichts?

— Du bist egoistisch, dir sind Steine wichtiger als die Familie!

Die Worte schnitten schärfer als ein Messer. Veronika biss sich auf die Lippe, um die Tränen zurückzuhalten.

Nein, sie würde nicht vor ihm weinen. Wut verlieh ihr Kraft.

— Du bist ein Muttersöhnchen, das bereit ist, seine Frau zu bestehlen, um die Launen der Mutter zu befriedigen! — platzte sie heraus.

— Verschwinde aus meiner Wohnung!

Ihr Mann machte einen Schritt zurück. Es schien, als hätte er diese Wendung nicht erwartet.

— Was?! — Maxim war fassungslos.

Veronika sah, wie sich sein Gesicht veränderte. Von seiner Sicherheit war nichts mehr übrig.

Aber es war schon zu spät. Zu spät für beide.

— Hast du gehört! Pack deine Sachen und verschwinde zu deiner Mami! — Veronika stieß ihn zur Seite und ging ins Schlafzimmer.

— Wenn sie dir wichtiger ist als deine Frau!

— Du kannst mich nicht rauswerfen!

— Doch, das kann ich! Die Wohnung gehört mir, falls du es vergessen hast! Oder willst du sie auch deiner Mutter schenken?

Einen Monat später war die Scheidung offiziell. Veronika saß in der leeren Wohnung, als das Telefon klingelte.

Die Nummer ihrer Schwiegermutter.

— Na, zufrieden? — sagte Ludmila Petrowna giftig.

— Die Steine waren wichtiger als die Ehe!

Veronika lächelte leicht.

— Für Sie waren die Steine wichtiger als das Glück Ihres Sohnes, — antwortete sie ruhig.

— Sie haben ihn überredet, zu stehlen, was mir gehörte.

— Wie kannst du…

Veronika legte auf und atmete tief durch. Auf der Kommode stand eine offene Schmuckschatulle mit Diamanten.

Sie funkelten sanft im Abendlicht. Das Erbe ihrer Großmutter war bei ihr geblieben.

Und das war das Wichtigste. Die Vergangenheit blieb hinter ihr.

Artikel notieren