Auf den ersten Blick hätte es einfach nur ein medizinisches Drama sein können – eine Notgeburt, das Schreien des Neugeborenen, ein Reanimationsteam, das ans Bett eilt, ein Säugling, dessen Leben am seidenen Faden hängt.
Alles ganz normal in den überfüllten Fluren eines Krankenhauses.
Doch alles war viel komplizierter, als selbst die erfahrensten Ärzte sich hätten vorstellen können.
In einer der Entbindungsstationen einer Klinik der Stadt, wo jeder Tag mit dem ersten Schrei des Lebens beginnt, ereignete sich eine Geschichte, an die sich die Mediziner noch Jahre später mit Ehrfurcht und Unglauben erinnern würden.
Eine Geschichte, die nicht nur wissenschaftlicher Fachzeitschriften würdig war, sondern auch die Seiten von Detektivromanen oder fantastischen Thrillern füllen könnte.
Eine Patientin, bei deren ungeborenem Kind bereits vor der Geburt ein Lebertumor vermutet wurde, brachte ein Mädchen zur Welt… in dem sich ein aufgenommener Zwilling befand.
Dieser Tag begann früh am Morgen.
Ein Krankenwagen bremste abrupt im Hof des Krankenhauses.
Am Steuer: der Vater des ungeborenen Kindes, Stanislaw, der wusste: Es bleibt kaum noch Zeit.
Im Inneren des Wagens krümmte sich seine Frau Wiktoria vor plötzlich einsetzenden Wehen, lange vor dem errechneten Termin.
— Wir hätten jetzt eigentlich noch gar nicht entbinden sollen, — erzählte er später.
— Wiktoria war erst in der 34. Schwangerschaftswoche.
Alles lief normal, wir bereiteten uns auf die Geburt unseres Babys vor, als sie plötzlich blass wurde und vor Schmerzen schrie.
Ich sagte nur: „Zieh dich an!“ – und raste ins Krankenhaus.
Bei der Aufnahme stellten die Ärzte eine drohende Frühgeburt fest.
Doch bereits eine halbe Stunde später war klar: Die Situation war ernster.
Bei früheren Ultraschalluntersuchungen war im Bereich der Leber des Fötus eine merkwürdige Struktur aufgefallen, die die Spezialisten zunächst für ein technisches Artefakt hielten – eine Bildverzerrung.
Doch nun nahm das Ganze bedrohlichere Züge an.
— Wir vermuteten ein Teratom – einen gutartigen Tumor, — berichtet Dr. Wortanowa, eine Chirurgin mit achtzehn Jahren Berufserfahrung.
— So etwas kommt vor.
Aber die Form, die Lage und die Struktur der Masse machten uns stutzig.
Es war etwas Ungewöhnliches.
Fast etwas Fremdartiges.
Doch es blieb keine Zeit zum Nachdenken.
Bei Wiktoria wurde ein Notkaiserschnitt durchgeführt.
Ihr Zustand verschlechterte sich rapide: Blutdruckschwankungen, unregelmäßiger Herzschlag, Bewusstlosigkeit.
Die Ärzte arbeiteten wie ein eingespieltes Team.
Endlich erfüllte der lang ersehnte Schrei des Neugeborenen den Operationssaal.
Lebendig.
Aber sehr schwach.
Die Freude währte jedoch nicht lange.
Wenige Minuten später verlor Wiktoria erneut das Bewusstsein.
Die Monitore schlugen Alarm.
Sofort wurde das Reanimationsteam gerufen.
Stanislaw, der im Flur stand, hörte Gesprächsfetzen, die wie Hammerschläge durch die Luft hallten:
— Der Blutdruck fällt…
— Das Herz bleibt stehen…
— Bereiten Sie den Defibrillator vor!
Diese Sekunden schienen eine Ewigkeit zu dauern.
Er erinnerte sich, wie Wiktoria noch vor ein paar Monaten lachend und singend mit dem Bauch in der Küche getanzt hatte.
Sie träumten von einer gemeinsamen Zukunft, von einem kleinen Zimmer im Haus, von den ersten Schritten, von einer glücklichen Kindheit.
Und jetzt hing alles davon ab, ob seine geliebte Frau überleben würde.
Die Ärzte schafften es, sie von der Schwelle des Todes zurückzuholen.
Doch der Preis für diesen Sieg war enorm: Anspannung, Angst und Hilflosigkeit.
Als Stanislaw seine kleine Tochter zum ersten Mal auf den Arm nahm, konnte er seine Tränen nicht zurückhalten.
Sie war so zerbrechlich, so lebendig…
Und dieses Lebenszeichen weckte Hoffnung – aber auch die Angst, alles in einem Moment wieder zu verlieren.
Doch die Sorgen waren nicht unbegründet.
Ein paar Stunden später herrschte erneut Spannung im Krankenzimmer.
Ein besorgter Anruf aus der Neonatologie: Das Mädchen verweigert die Nahrung, ihr Bauch ist vergrößert und hart.
Mit jedem neuen Symptom kamen mehr Fragen ohne Antworten hinzu.
— Wir fühlten uns völlig hilflos, — erinnert sich Wiktoria.
— Keine Diagnose, keine Prognose.
Nur Angst.
Die Angst, das zu verlieren, wofür wir durch Schmerz und Prüfungen gegangen waren.
Die Diagnose, die die Ärzte stellten, klang wie ein Urteil:
— Wir verstehen nicht, was vor sich geht.
Aber wir müssen dringend die Ursache finden.
Da erinnerte sich Wiktoria:
— Es gab diesen einen merkwürdigen Ultraschall.
Da war etwas Ungewöhnliches in der Leber…
Ihre Worte hingen in der Luft.
Einer der Ärzte erstarrte und sagte dann:
— Ich muss das überprüfen.
Am nächsten Tag wurde eine erneute Ultraschalluntersuchung durchgeführt.
Die Ergebnisse überraschten selbst erfahrene Spezialisten.
Unter der Haut des Säuglings wurde eine dichte Masse gefunden – aber kein Tumor.
Darin befanden sich Knochenfragmente, Ansätze von Gliedmaßen, Weichgewebe – als gehörten sie zu einem anderen Organismus.
Der Chirurg, der die Ergebnisse betrachtete, sprach ein Wort aus, das bisher nur in Lehrbüchern und Vorlesungen vorgekommen war: fetus in fetu – wörtlich „Fötus im Fötus“.
Ein äußerst seltenes Phänomen, bei dem ein Zwilling im Mutterleib teilweise von seinem Geschwisterchen aufgenommen wird.
Laut der Weltgesundheitsorganisation gibt es weltweit nur etwa zweihundert dokumentierte Fälle.
— Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal persönlich erleben würde, — gestand der Chirurg.
— Es ist, als würde eine Legende plötzlich vor deinen Augen lebendig.
Wenige Tage später fand eine Operation statt, die weniger als eine Stunde dauerte.
Die Chirurgen entfernten vorsichtig ein etwa fünf Zentimeter großes Gewebestück – die Reste eines zweiten Fötus, der sich nie selbstständig hätte entwickeln können.
Der Körper des Mädchens begann sich langsam zu erholen.
Sie begann zu essen, atmete gleichmäßig, nahm an Gewicht zu.
Das Leben kehrte allmählich zur Normalität zurück.
Als Stanislaw seine Tochter zum ersten Mal außerhalb der Intensivstation sah, ohne Schläuche und Monitore, konnte er die Tränen nicht zurückhalten.
— Ich trauerte um den, den wir nie kennenlernen durften.
Aber gleichzeitig war ich dankbar für die, die geblieben ist.
Vielleicht waren es einmal zwei – aber sie hat überlebt.
Und das ist ein Wunder.
Laut Experten darf man fetus in fetu nicht mit einem parasitären Zwilling verwechseln.
Es handelt sich nicht um einen vollständigen Organismus, sondern um einen unterentwickelten Embryo, der in den frühen Stadien der Schwangerschaft im Körper des anderen Fötus verbleibt.
Er ist nicht in der Lage, sich selbstständig zu entwickeln, verschwindet aber auch nicht vollständig.
Manchmal bleiben solche Anomalien ein Leben lang unentdeckt.
— Es ist fast ein Mythos, — sagt Professorin Jekaterina Lipatowa, eine bekannte Neonatologin, die seltene Pathologien bei Neugeborenen erforscht.
— Aber ein Mythos, der durch Wissenschaft und Praxis bestätigt wird.
So etwas kann man im Voraus nicht vorhersehen.
Es ist fast unmöglich, es im Ultraschall zu erkennen.
Ein Fall, der uns daran erinnert, wie wenig wir über den menschlichen Körper und seine Geheimnisse wissen.
Heute ist das Mädchen, das mit einem Geheimnis geboren wurde, gesund und lebensfroh, läuft, spielt und lacht.
Für ihre Eltern ist sie ein wahres Wunder.
Für die Medizin – ein einzigartiger Fall, der die Aufmerksamkeit der Wissenschaft verdient.
Und für alle anderen – eine Erinnerung daran, dass selbst in den schwierigsten Situationen echte Wunder möglich sind.
— Wir dachten, wir würden einem einzigen Kind das Leben schenken, — sagt Wiktoria und schaut ihre Tochter an.
— Aber vielleicht waren sie eine Zeit lang zu zweit.
Einer blieb in uns, der andere wurde ein Teil von ihr.