Marina hatte die Wohnung kaum betreten, da stellte sie ihrem Ehemann schon die Frage.
– Ljoscha, sag mal, hast du heute Geld von meiner Karte abgehoben?
– Ja, schon. Ich habe Lebensmittel gekauft, du hast mir die Karte ja heute Morgen gegeben.
Alles ist im Kühlschrank, nach Liste gekauft.
– Mit den Lebensmitteln ist mir alles klar. Mich interessieren die 30.000 Rubel, die am Automaten abgehoben wurden.
Nach diesen Worten spannte sich der Mann an, aber nur kurz.
Dann setzte er ein schlaues Gesicht auf und sagte einfach, es seien Betrüger gewesen, man müsse die Bank anrufen.
– Ich habe schon dort angerufen. Sie haben mir Zeit und Ort genannt – das Geld wurde mit dem PIN abgehoben, den nur du kennst.
Obwohl, ich kann eine Anzeige erstatten, in den Geldautomaten gibt es Kameras, wir werden das schnell klären.
Alexej wurde sichtlich nervös, hielt aber weiter an seiner Version fest.
– Marina, ich weiß nicht, wovon du redest.
– Du weißt ganz genau, wovon ich rede. Das ist die Hälfte meines Gehalts! Wovon soll ich diesen Monat leben? Wo ist das Geld hin?
– Ich habe nichts angefasst!
– Du brauchst mir nichts zu erzählen, ich weiß längst Bescheid. Wenn du es nicht zugeben willst, erstatte ich Anzeige, dass ich bestohlen wurde.
– Na gut. Ich gebe es zu, ich habe das Geld genommen. Ich verspreche, Ende des Monats zahle ich alles centgenau zurück!
– Wozu???
– Versteh doch, ich habe es nicht für mich genommen. Olya brauchte Hilfe.
– Was? Seit wann entscheidest du über mein Geld, um die Probleme deiner Schwester zu lösen?
– Sie hat ein Problem, ihre Vermieterin verlangt die Miete, sonst schmeißt sie sie morgen raus.
– Du hilfst ihr doch ständig! Schön wär’s, wenn du wenigstens arbeiten würdest – aber du hockst seit einem halben Jahr zu Hause! Ich bin nicht bereit, auch noch sie zu versorgen!
– Ach, so redest du jetzt? Du machst mir Vorwürfe? Du weißt doch, dass ich nach Arbeit suche. Ich dachte, wir sind eine Familie.
– Wir – ja. Aber nicht Olya.
– Sie hat ein Problem, wie kann ich sie im Stich lassen? Ihre Vermieterin droht, sie auf die Straße zu setzen. Sie hat schon genug Sorgen, sie hat ihren Job verloren.
– Ach ja? Und wovon soll sie mir das Geld zurückgeben? Also: ich gebe dir drei Tage, damit das Geld auf meinem Tisch liegt.
Wenn sie es nicht zurückgibt, dann schmeiß ich dich raus. Ohne einen Funken Reue.
In diesem Moment klingelte Alexejs Handy, auf dem Display stand „Olya“. Marina griff sofort zum Telefon.
– Hallo, Olya, hi. Wie geht’s dir?
– Marina? Hallo. Mir geht’s gut, und dir?
– Auch gut – war es zumindest, bis das Geld von meiner Karte verschwunden ist.
– Viel? Vielleicht waren’s Betrüger?
– Hör auf zu schauspielern, ich weiß alles. Ich brauche das Geld zurück, bitte gib es mir.
– Na komm schon, Marischa, du weißt doch, Ljoscha ist ein guter Bruder.
Er wollte mir nur helfen, und ich gebe dir alles zurück, sobald ich Gehalt bekomme.
– Welches Gehalt? Du hast doch keinen Job!
Dieses Gespräch dauerte noch eine Weile, doch dann hatte Marina genug und packte Alexejs Sachen.
– Marina, du kannst mich doch nicht einfach rausschmeißen!
– Kann ich doch. Und genau das tue ich jetzt.
– Wo soll ich denn hin?
– Geh zu Olya, du hast doch die Miete bezahlt.
Ein paar Stunden später kam der Mann zurück nach Hause, doch Marina öffnete ihm nicht die Tür.
Sie hatte verstanden, dass es besser war, allein zu leben als mit so einem Ehemann. Die Wohnung gehörte ihr, das Gehalt war ihrs – wozu brauchte sie ihn?
– Marina, bitte lass mich rein. Olya will mich nicht bei sich aufnehmen.
– Tolle Schwester hast du. Zieht dir das Geld aus der Tasche, aber helfen kann sie dir nicht, wenn du in Not bist.
Geh weg, Ljoscha. Ich gebe dir drei Tage, um das Geld zurückzugeben und deine Sachen zu holen. Ich reiche die Scheidung ein.
Zum ersten Mal seit Jahren in der Ehe atmete Marina erleichtert auf und ging ruhig schlafen.
Eine neue Zukunft erwartete sie – hell und voller Hoffnung.
